Kranke aus dem Umfeld des Paulus

Es klingt erstaunlich, aber innerhalb der Bibel erachte ich Paulus immer mehr als die größte Last für den Glauben an die persönliche Heilung. Der Glaube ist ein so empfindliches, verletzliches Pflänzchen, dass auch dieser Beitrag veröffentlicht werden soll, obwohl mich ein verschämtes Unterdrücken dieses Beitrags sehr gereizt hat. Der Glaube ist es aber wert, dafür zu kämpfen.

In Apg. 19, 11 und 12 heißt es über Gaben des Paulus: (11) Und Gott wirkte nicht geringe Taten durch die Hände des Paulus. (12) So hielten sie auch die Schweißtücher und andere Tücher, die er auf seiner Haut getragen hatte, über die Kranken, und die Krankheiten wichen von ihnen und die bösen Geister fuhren aus.

Sehr allgemein dagegen und völlig unanschaulich beschreibt er selber die „Zeichen des Apostels“ in 2. Kor. 12, 12: Denn es sind ja die Zeichen eines Apostels unter euch geschehen in aller Geduld, mit Zeichen und mit Wundern und mit Taten. In 1. Kor. 2, 3-5 beschreibt Paulus seine Erscheinung bei den Korinthern:

Und ich war bei euch in Schwachheit und in Furcht und mit großem Zittern; (4) und mein Wort und meine Predigt geschahen nicht mit überredenden Worten menschlicher Weisheit, sondern in Erweisung des Geistes und der Kraft, (5) damit euer Glaube nicht stehe auf Menschenweisheit, sondern auf Gottes Kraft.

Wir können heute nicht mehr die Kraft des Paulus sehen, wie sie in Apg. 19 beschrieben wird, sondern seine „überredenden Worte menschlicher Weisheit“ lesen wir in Form der Briefe. Es sprengt auch meine Vorstellungskraft, wie man „in Furcht und mit großen Zittern“ predigen kann.

Betrachtet man die Briefe, beobachtet man, dass nichts auf eine besondere Gabe des Paulus hinweist. Es muss doch zumindest eine Kraft vorhanden gewesen sein, die andere Menschen überzeugt hat. An mehreren Stellen in den Briefen geht er auf eigene Krankheiten oder Krankheiten seiner Mitarbeiter ein. Diese Stellen möchte ich untersuchen. In 2. Kor. 12, 7-9 sagt er über den eigenen „Pfahl im Fleisch“: (7) Und damit ich mich wegen der hohen Offenbarungen nicht überhebe, ist mir gegeben ein Pfahl ins Fleisch, nämlich des Satans Engel, der mich mit Fäusten schlagen soll, damit ich mich nicht überhebe. (8) Seinetwegen habe ich dreimal zum Herrn gefleht, dass er von mir weiche. (9) Und er hat zu mir gesagt: Lass dir an meiner Gnade genügen; denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig. Darum will ich mich am allerliebsten rühmen meiner Schwachheit, damit die Kraft Christi bei mir wohne. Manches an Paulus gefällt mir nicht, aber der grobe Fehler in 2. Kor. 12,9 liegt wahrscheinlich nicht bei Paulus, sondern bei den „Verbesserern“. Nach reiflichem Überlegen möchte ich den 2. Versteil folgendermaßen übersetzen: „denn die Kraft (nämlich Pauli) wird in Schwachheit beendet“. Das Verb ist tatsächlich mit „beenden“ zu übersetzen, nicht mit „vollenden“, wie es auch möglich wäre. Daraus haben der Mehrheitstext – und der „Textus Receptus“ – gemacht: „denn meine Kraft (nämlich Jesu) wird in Schwachheit vollendet“. Damit ist ein denkerischer Unsinn produziert worden, der niemals von Jesus gesagt worden wäre: Jesus ist nämlich nicht am Kreuz hängen geblieben, sondern auferstanden. Für ihn selbst wäre folgende Aussage angemessen: „Meine Kraft ist in der Kraft Gottes vollendet“. Nur 1 Kapitel weiter, in 2. Kor. 13,4, sagt Paulus selbst von Jesus: Denn wenn er auch gekreuzigt worden ist in Schwachheit, so lebt er doch in der Kraft Gottes. Wegen des Artikels bei dem griechischen Wort für Kraft in 12,9 ein „meine“ zu ergänzen, ist eine künstlich aufgestellte grammatikalische Regel, die mich nicht überzeugt. Man verteidigt in erster Linie den „Textus Receptus“, bei dem das „meine“ expressis verbis hinzugefügt ist. Auch beim Verb sind ja 2 Buchstaben hinzugefügt worden, die das „vollenden“ als Übersetzung sicher machen. Wenn tatsächlich Paulus im Urtext so geschrieben hätte, wie es der Mehrheitstext (und der „Textus Receptus“) lesen, glaube ich Paulus nicht, dass Jesus ihm diese Antwort gegeben hat. Jesus hat einen Aussätzigen aus Mitleid geheilt, obwohl er davon nur Nachteile hatte. Die entsprechende Stelle aus Mk. 1, 40-45 möchte ich zitieren: (40) Und es kam zu ihm ein Aussätziger, der bat ihn, kniete nieder und sprach zu ihm: Willst du, so kannst du mich reinigen. (41) Und es jammerte ihn und er streckte die Hand aus, rührte ihn an und sprach zu ihm: Ich will’s tun; sei rein! (42) Und sogleich wich der Aussatz von ihm und er wurde rein. (43) Und Jesus drohte ihm und trieb ihn alsbald von sich (44) und sprach zu ihm: Sieh zu, dass du niemandem etwas sagst; sondern geh hin und zeige dich dem Priester und opfere für deine Reinigung, was Mose geboten hat, ihnen zum Zeugnis. (45) Er aber ging fort und fing an, viel davon zu reden und die Geschichte bekannt zu machen, sodass Jesus hinfort nicht mehr öffentlich in eine Stadt gehen konnte; sondern er war draußen an einsamen Orten; doch sie kamen zu ihm von allen Enden.

Wenn Jesus einen Menschen heilt, obwohl er weiß, dass dieser ihn missbrauchen wird, warum sollte er jemand, den er zur Errettung anderer Menschen gebraucht, mit einem so unsinnigen Satz abspeisen, wie es vom Mehrheitstext und dem „Textus Receptus“ behauptet wird. Es ist nichts von einer „Sünde“ des Paulus in 2. Kor. 12 zu hören, aber bei anderen Personen stellt er klar den Zusammenhang zwischen Krankheit und Sünde her. Zwar bin auch ich davon überzeugt, dass ein unmittelbarer Zusammenhang besteht, doch lässt Paulus seine Mitarbeiter ganz schäbig im Stich, wenn es darum geht, wirkliche Antworten zu finden. Seinem Mitarbeiter Timotheus sagt er in 1. Tim. 5, 21-25: (21) Ich ermahne dich inständig vor Gott und Christus Jesus und den auserwählten Engeln, dass du dich daran hältst ohne Vorurteil und niemanden begünstigst. (22) Die Hände lege niemandem zu bald auf; habe nicht teil an fremden Sünden! Halte dich selber rein! (23)Trinke nicht mehr nur Wasser, sondern nimm ein wenig Wein dazu um des Magens willen und weil du oft krank bist. (24) Bei einigen Menschen sind die Sünden offenbar und gehen ihnen zum Gericht voran; bei einigen aber werden sie hernach offenbar. (25) Desgleichen sind auch die guten Werke einiger Menschen zuvor offenbar, und wenn es anders ist, können sie doch nicht verborgen bleiben. Seinem Mitarbeiter empfiehlt er, wegen seinem kranken Magen etwas Wein zu trinken – das kann auch jeder Arzt sagen, den man wegen gesundheitlicher Nöte aufsucht. In Vers 24 wird ganz offensichtlich die Verbindung zu „Sünden“ des Timotheus hergestellt, es sind nicht die „fremden Sünden“ aus Vers 22, denn wie soll zu verstehen sein, dass einige offenbar sind, während andere später offenbar werden? Es muss die Krankheit des Timotheus gemeint sein, die durch Sünde hervorgerufen wird; es ist sonst einfach nicht zu begreifen, dass ein nach dem Zeugnis der Apostelgeschichte besonders mit Gaben versehener Mann wie Paulus nicht schlicht und ergreifend für seinen Mitarbeiter zu Gott in Fürbitte tritt. Zumindest seine besonderen Gaben treten hier nicht in Erscheinung. Die Frage, die sich nach der „Gerechtigkeit“ Gottes aufdrängt, ist kaum zu umgehen. Wenn die kranken Menschen im Gericht gesund werden, werden dann die gesunden krank? Jesus hat während seines Erdenwirkens geheilt – ist damit nicht etwas Schlechtes geschehen für die Menschen, die ja nichts mehr haben, dass ihnen „zum Gericht vorangeht“? Jesus hat Heilung gebracht für glaubende Menschen, selbst wenn diese charakterliche Mängel hatten, Paulus hat die Krankheit salonfähig gemacht selbst bei tiefgläubigen Personen. Das ist ein regelrechtes Verbrechen am Corpus Christi, an der das Christentum bis heute leidet. Nirgendwo außerhalb der paulinischen Briefe hat man im NT den Eindruck, dass redliche Christen krank geblieben sind. Paulus hat die Krankheit eingeführt und Christen unsicher gemacht, was ihre Heilung angeht. Wenn bei so einem herausragenden Mann Krankheit auftritt, wobei er sich sogar seiner Schwachheit „rühmt“, wie soll ein gewöhnlicher Christ mit seiner Krankheit fertig werden, wo wir fast mit der Spritze im Hintern geboren werden und die meisten Leute, die sich Christen nennen, nur zusätzliche Lasten für kranke Geschwister haben. Man kann vielleicht bei Timotheus bestreiten, dass ein klarer Zusammenhang von Sünde und Krankheit gegeben ist, aber ganz deutlich gesagt wird es bei der Gemeinde in Korinth. Der Gemeinde in Korinth hat Paulus Missbräuche im Herrenmahl vorgeworfen (1. Kor. 11, 27-32):

(27) Wer nun unwürdig von dem Brot isst oder aus dem Kelch des Herrn trinkt, der wird schuldig sein am Leib und Blut des Herrn. (28) Der Mensch prüfe aber sich selbst, und so esse er von diesem Brot und trinke aus diesem Kelch. (29) Denn wer so isst und trinkt, dass er den Leib des Herrn nicht achtet, der isst und trinkt sich selber zum Gericht. (30) Darum sind auch viele Schwache und Kranke unter euch, und nicht wenige sind entschlafen. (31) Wenn wir uns selber richteten, so würden wir nicht gerichtet. (32) Wenn wir aber von dem Herrn gerichtet werden, so werden wir gezüchtigt, damit wir nicht samt der Welt verdammt werden.

Nun stellen sich einige Fragen, die Paulus im Brief nicht beantwortet. Sind in Korinth nur die Menschen krank geworden, die auch selbst in diesem speziellen Fall Sünde auf sich geladen haben? Sind auch wirklich alle Sünder krank geworden? Gott kann doch nicht so „ungerecht“ sein, bestimmte Personen von seinem Urteil auszunehmen. Kann man an der Krankheit direkt die Sünde ablesen? Heute würde wohl niemand wagen, einen so unmittelbaren und direkten Zusammenhang zwischen Sünde und Krankheit herzustellen. Schon die vorher gestellten Fragen hätte Paulus wahrscheinlich nicht beantwortet.

Der Vollständigkeit halber ist noch 2. Tim. 4, 20 anzuführen, eine Stelle, die Paulus selbst unkommentiert lässt: (20)…, Trophimus aber ließ ich krank in Milet.

Phil. 2, 25- 27 wird über den gesundeten Mitarbeiter Epaphroditus geschrieben:

(25) Ich habe es aber für nötig angesehen, den Bruder Epaphroditus zu euch zu senden, der mein Mitarbeiter und Mitstreiter ist und euer Abgesandter und Helfer in meiner Not; (26) denn er hatte nach euch allen Verlangen und war tief bekümmert, weil ihr gehört hattet, dass er krank geworden war. (27) Und er war auch todkrank, aber Gott hat sich über ihn erbarmt; nicht allein aber über ihn, sondern auch über mich, damit ich nicht eine Traurigkeit zu der anderen hätte.

Paulus schreibt, dass Gott sich erbarmt hat. Es ist nichts davon zu lesen, dass Paulus für diesen Menschen gebetet hat, aus Bescheidenheit könnte er das selbstverständlich verschwiegen haben – aber das passt nicht zu ihm. Je intensiver ich die paulinischen Briefe lese, umso glücklicher bin ich, Paulus nie kennengelernt zu haben.

Der Artikel wurde verfasst von Hermann Hain 2014. Bemüht habe ich mich um eine Darstellung, die der Wahrheit verpflichtet ist.